Sonntag, 28. Juni 2009

Kampa-Mitarbeiter in Ziesar und Brück bekommen ihre Papiere

ZIESAR - Die Hoffnung stirbt zuletzt, hieß es noch Mittwoch im Kreise der Zurückgebliebenen. Doch nun dürfte sie bei allen rund 100 Beschäftigen der Kampa Haus GmbH Ziesar auf dem Nullpunkt sein.
Ungeachtet der Rettungsversuche für die Pleite gegangene Kampa AG rollt auf die Mitarbeiter des im westfälischen Minden ansässigen Unternehmens eine riesige Entlassungwelle zu. Rund 650 Beschäftigte sollen heute ihre Kündigung erhalten. Das sagte ein Kampa-Betriebsrat gestern auf MAZ-Anfrage Es gebe seiner Meinung nach keine Hoffnungen mehr. „Die Kündigung kam für uns alle auch sehr überraschend.“ Betroffen seien auch die Produktionsstandorte Ziesar und Kellerbau Brück (30 Mitarbeiter).
Insolvenzverwalter Werner Schreiber war trotz mehrfacher Anfragen zu keiner Stellungnahme bereit. Er hatte kürzlich Kampa-Mitarbeiter bis auf weiteres freigestellt. Auch Ziesars Betriebsleiter Richard Winkel, der noch vorgestern sagte, er sei „nach wie vor für Ziesar im Einsatz“, war gestern Abend nicht erreichbar. Am Hauptwerk in Steinheim (Baden-Württemberg) wurden die Spitzen gestern eilig zusammengerufen.
In Ziesar ist dem Vernehmen nach nur noch ein Teil der Verwaltung und der Controller da. Seit 11. Juni ruht die Produktion. Betriebschef, Buchhaltung und Produktionsleiter hielten die Stellung. Letzterer war Pförtner, Hausmeister und Warenannahme in einer Person. Die anderen Mitarbeiter standen auf Abruf bereit. Informationen seien mangelhaft und widersprüchlich gewesen, falsche Hoffnungen geweckt worden. Ein Einsatz zur Fertigstellung eines Hauses sei kurzfristig abgeblasen worden. Ihre „widerrufliche Freistellung“ sorgte für Verwirrung, denn diese Anträge habe die Arbeitsagentur bislang nicht bewilligen können. „Weil dies nicht als Beschäftigungslosigkeit gilt,“ erklärt Michael Glaser, Vize-Chef in Brandenburg. Im Interesse der Betroffenen habe man die Anträge auf Arbeitslosengeld aber nicht abgelehnt, sondern offengehalten, um mit dem Insolvenzverwalter eine Klärung herbeizuführen. Bis gestern, so Glaser, lag keine Rückmeldung vor.
Die Kampa-AG hatte Mitte März die Zahlungsunfähigkeit bekannt gegeben und Gläubigerschutz beantragt. Das Insolvenzverfahren war am 2. Juni eröffnet worden. Da hieß es aus Schreibers Büro noch, „ein Abbau von Arbeitsplätzen ist nicht geplant“ (MAZ berichtete).
Der Käufer der Kampa-Markenrechte und Geschäftsführer der vorige Woche in Steinheim gegründeten Kampa GmbH, Josef Haas, bestätigte die für heute geplante unternehmensweite Massenentlassung. „Ja, das ist so. Da gibt es nichts schön zu reden“, sagte Haas, der Technik-Vorstand der Kampa AG war, gestern auf Anfrage. Nichtsdestotrotz gehe die Suche nach Investoren für Ziesar und Brück weiter. „Ich bin in Gesprächen mit Interessenten, wenn sich ein Käufer findet, wird die Produktion wieder aufgenommen“, so der Manager. Er habe die Rechte an der Marke und deutschlandweit 25 Musterhäuser gekauft, um den Namen am Leben zu erhalten, so Haas. Derzeit beschäftige er rund 100 Mitarbeiter im Außendienst. Mit Hilfe von Subunternehmern sei er bestrebt, bestehende Verträge mit Bauherren zu erfüllen.
Jörg Schütte von der Industriegewerkschaft Bau sieht Managementfehler als eine Ursache für das Scheitern des Fertighausherstellers und bezeichnete die Pleite als Folge der verfehlten Finanzpolitik. „Und die Arbeitnehmer müssen das bezahlen“, kritisierte er. Schütte sieht nur wenig Hoffnung für die mittelmärkischen Standorte. „Wer baut heute noch ein Haus, wo es so viele günstig in Zwangsversteigerungen gibt?“
An der Basis spricht man von einer „hausgemachten Krise“. Aufträge seien da gewesen, hieß es. „Nichts wäre bitterer, als einen Abriss des vor 16 Jahren in Ziesar aufgebauten Werks mit ansehen zu müssen“, so ein Betroffener. (Von Claudia Nack und Hermann M. Schröder)

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